Die Entscheidung, eine Erbschaft auszuschlagen, sollte wohlüberlegt sein. Häufig erscheint dies als sinnvoll, etwa wenn der Nachlass überschuldet ist oder Konflikte innerhalb der Erbengemeinschaft drohen. Doch die Erbausschlagung kann unerwartete Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere wenn sie gezielt dazu genutzt wird, die Erbfolge zu steuern. In diesem Beitrag erfahren Sie, worauf zu achten ist und wie Sie rechtliche Fallstricke vermeiden können.
Wann ist eine Erbausschlagung sinnvoll?
Eine Erbausschlagung kann in verschiedenen Situationen eine kluge Entscheidung sein:
Taktische Erwägungen: Manchmal wird eine Ausschlagung genutzt, um eine bestimmte Erbfolge zu ermöglichen – beispielsweise, wenn Kinder zugunsten eines überlebenden Elternteils verzichten.
Überschuldeter Nachlass: Wenn die Verbindlichkeiten des Erblassers den Wert des Nachlasses übersteigen, ist eine Ausschlagung oft die beste Option, um persönliche finanzielle Risiken zu vermeiden.
Erbengemeinschaft vermeiden: In manchen Fällen möchten Erben nicht Teil einer Erbengemeinschaft werden, insbesondere wenn absehbare Streitigkeiten drohen.
Gefahren einer taktischen Erbausschlagung
Insbesondere bei der gezielten Steuerung der Erbfolge durch eine Ausschlagung ist Vorsicht geboten. Die gesetzliche Erbfolge kann in unerwartete Bahnen gelenkt werden. Ein typisches Beispiel: Stirbt ein Ehemann ohne Testament, erben nach der gesetzlichen Regelung seine Ehefrau und Kinder gemeinsam. Um die Ehefrau zur Alleinerbin zu machen, könnte überlegt werden, dass die Kinder ihre Erbschaft ausschlagen. Doch dies kann problematisch sein.
Wird die Erbschaft durch die Kinder und eventuell auch durch Enkel ausgeschlagen, dann geht der Nachlass nicht automatisch an die überlebende Ehefrau. Stattdessen treten die Eltern des Erblassers in die gesetzliche Erbfolge ein. Sind diese bereits verstorben, erben deren weitere Kinder, also die Geschwister des Verstorbenen, oder sogar deren Nachkommen. Dies führt oft zu einer unerwarteten und unerwünschten Erbengemeinschaft mit entfernten Verwandten.
Rückgängigmachung einer Erbausschlagung – Ist das möglich?
Einmal getroffene Entscheidungen zur Erbausschlagung lassen sich nur schwer rückgängig machen. Eine Möglichkeit besteht in der Anfechtung der Ausschlagung. Diese kann jedoch nur unter engen Voraussetzungen erfolgen, beispielsweise wenn ein relevanter Irrtum vorlag. Wer sich jedoch darüber geirrt hat, dass nicht die Ehefrau Alleinerbin wird, sondern entfernte Verwandte miterben, hat nach aktueller Rechtsprechung keinen beachtlichen Anfechtungsgrund. Damit bleibt die Ausschlagung bestehen – mit all ihren möglicherweise unerwünschten Konsequenzen.
Besser vorsorgen: Rechtzeitige Beratung und Testament
Erbangelegenheiten sind komplex und bergen zahlreiche rechtliche Fallstricke. Wer eine Erbschaft ausschlagen möchte, sollte sich frühzeitig fachkundig beraten lassen.
Noch besser ist es, bereits zu Lebzeiten vorzusorgen: Ein durchdachtes Testament kann sicherstellen, dass der Nachlass genau so verteilt wird, wie es gewünscht ist. Dadurch lassen sich unangenehme Überraschungen und schwierige Entscheidungen nach dem Erbfall vermeiden.
Notarinnen und Notare stehen Ihnen als neutrale und kompetente Berater zur Seite, um für Sie und Ihre Familie die beste Lösung zu finden.
Was passiert ohne Testament? Die gesetzliche Erbfolge
Wenn eine Person verstirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. In Deutschland regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die Verteilung des Nachlasses, wenn der Erblasser keine eigenen Bestimmungen getroffen hat. Dies bedeutet, dass das Gesetz festlegt, wer Erbe wird und in welchem Umfang.
Die gesetzliche Erbfolge ist in den §§ 1924 bis 1936 BGB festgelegt. Sie folgt einem klaren Schema und unterscheidet sich je nach Verwandtschaftsgrad.
Erben der ersten Ordnung: Kinder und deren Nachkommen
Die ersten Erben sind die Kinder des Verstorbenen sowie nachrangig deren Nachkommen (Enkelkinder, Urenkel). Sie erben zu gleichen Anteilen. Wenn ein Kind vor dem Erblasser verstorben ist, tritt dessen Nachkomme an seine Stelle und erbt den Anteil seines verstorbenen Elternteils.
Beispiel: Hat eine Person drei Kinder, erben diese jeweils ein Drittel des Nachlasses. Wenn eines der Kinder bereits verstorben ist, erben dessen Kinder (also die Enkel des Verstorbenen) den Anteil des verstorbenen Elternteils.
Erben der zweiten Ordnung: Eltern und deren Nachkommen
Falls keine Erben der ersten Ordnung vorhanden sind, kommen die Eltern des Verstorbenen und nachrangig deren Abkömmlinge zum Zuge. Sind beide Eltern noch am Leben, erben sie zu gleichen Teilen. Sollte ein Elternteil bereits verstorben sein, erben die Geschwister des Verstorbenen die Hälfte des Nachlasses.
Erben der dritten Ordnung: Großeltern und deren Nachkommen
Existieren keine Erben der ersten oder zweiten Ordnung, rücken die Großeltern des Verstorbenen in die Erbfolge ein. Auch hier wird in der Regel nach Verwandtschaftsgrad vererbt, sodass die Großeltern und deren Nachkommen (also Tanten, Onkel und Cousins/Cousinen des Verstorbenen) einen Erbteil erhalten.
Was passiert, wenn keine Verwandten vorhanden sind?
Falls der Verstorbene keine Verwandten in einer der oben genannten Ordnungen hat, fällt das Erbe an den Staat. In der Praxis ist dies allerdings selten.
Und wo bleibt bei all dem der Ehegatte?
Der überlebende Ehegatte nimmt in der gesetzlichen Erbfolge eine Sonderstellung ein. Sein Erbteil hängt davon ab, welche Verwandten des Erblassers vorhanden sind und in welchem Güterstand die Ehe geführt wurde.
Neben Erben der ersten Ordnung erhält der Ehegatte ein Viertel des Nachlasses. Sind nur Verwandte der zweiten Ordnung oder Großeltern vorhanden, steht dem Ehegatten die Hälfte des Nachlasses zu. Sind keine Verwandten dieser Ordnungen vorhanden, erbt er alles.
Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft bringt eine Besonderheit mit sich: Der Erbteil des Ehegatten erhöht sich pauschal um ein weiteres Viertel, unabhängig vom tatsächlichen Zugewinn. Das bedeutet, dass er im Falle vorhandener Kinder insgesamt die Hälfte des Nachlasses erbt.
Wurde dagegen Gütertrennung vereinbart, erbt der Ehegatte gemeinsam mit den Kindern des Erblassers zu gleichen Teilen, mindestens jedoch ein Viertel. Gibt es beispielsweise zwei Kinder, erbt jeder ein Drittel.
Bei Gütergemeinschaft fällt dem Ehegatten zunächst sein Anteil am Gesamtgut zu. Der verbleibende Nachlass wird dann entsprechend der gesetzlichen Erbfolge aufgeteilt.
Darüber hinaus hat der Ehegatte ein gesetzliches Vorausrecht auf bestimmte Haushaltsgegenstände sowie die Ehewohnung, sofern er diese weiterhin nutzen möchte.
Gründe für die Errichtung eines Testaments
Obwohl die gesetzliche Erbfolge eine klare Regelung bietet, entspricht sie nicht immer den persönlichen Vorstellungen des Erblassers. Ein Testament erlaubt es dem Erblasser, selbst zu entscheiden, wer erben soll und wie das Vermögen verteilt wird. Dies ist besonders sinnvoll, wenn die gesetzliche Erbfolge nicht passt, beispielsweise weil der überlebende Ehepartner zunächst alles bekommen soll, oder wenn sie ungewollte Konsequenzen nach sich zieht. Ein Beispiel hierfür sind Patchwork-Familien: Ohne Testament ist der überlebende Ehe- oder Lebenspartner oft nicht ausreichend abgesichert.
Ein Testament bietet in solchen Fällen zahlreiche Vorteile: Es ermöglicht eine individuelle Verteilung des Nachlasses, sodass auch nicht verwandte Personen oder Freunde berücksichtigt werden können. Darüber hinaus kann ein Testament dazu beitragen, Konflikte und Erbstreitigkeiten zu vermeiden, indem es klare Verhältnisse schafft. Überdies erlaubt es eine gezielte Gestaltung, die steuerliche Freibeträge optimal auszunutzen und die Erbschaftsteuer zu minimieren. Schließlich wird bei einem notariell beurkundeten Testament im Allgemeinen kein Erbschein benötigt.
Bei sämtlichen Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen Notare gerne mit fachkundiger Beratung zur Verfügung.