
Der gesetzliche Güterstand: Warum in der Zugewinngemeinschaft nicht alles „gemeinsam“ ist
Allgemein Juli 2, 2025Viele Ehepaare gehen davon aus, dass mit der Eheschließung automatisch ein gemeinsames Vermögen entsteht und ihnen alles zu gleichen Teilen gehört. Doch das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft bedeutet nicht, dass jedes angeschaffte Gut automatisch beiden Ehepartnern zur Hälfte gehört. Tatsächlich ist die Zugewinngemeinschaft während der Ehe in erster Linie eine Gütertrennung, bei der jeder Ehepartner wirtschaftlich selbstständig bleibt. Erst im Fall einer Scheidung oder beim Tod eines Ehepartners kommt es zu einem finanziellen Ausgleich.
Getrennte Vermögenssphären trotz Ehe
In der Zugewinngemeinschaft behält jeder Ehepartner sein eigenes Vermögen – sowohl das vor der Ehe erworbene als auch das, was er während der Ehe hinzuerwirbt. Auch Schulden bleiben jeweils demjenigen Ehepartner zugeordnet, der sie eingegangen ist.
Das bedeutet: Ein Ehepartner kann beispielsweise ein Haus kaufen, ohne dass der andere automatisch Miteigentümer wird. Dasselbe gilt für Sparguthaben, Wertpapiere oder andere Vermögenswerte. Eine „Gemeinschaft“ im Sinne von gemeinsamem Eigentum entsteht also nicht automatisch.
Der Zugewinnausgleich – erst bei Beendigung der Ehe relevant
Der eigentliche Mechanismus der Zugewinngemeinschaft greift erst, wenn die Ehe endet – entweder durch Scheidung oder durch den Tod eines Ehepartners. Dann kommt es zum sogenannten Zugewinnausgleich: Dabei wird das Anfangsvermögen jedes Ehepartners (Stand bei Eheschließung) mit dem Endvermögen (Stand bei Beendigung der Ehe) verglichen. Der Ehepartner, der während der Ehe einen höheren Zugewinn erzielt hat, muss die Hälfte der Differenz an den anderen auszahlen. Ziel ist es, wirtschaftliche Nachteile des finanziell schwächeren Ehepartners auszugleichen.
Besonderheiten im Erbfall
Stirbt ein Ehepartner, wird der Zugewinnausgleich automatisch berücksichtigt. Der überlebende Ehepartner erhält zusätzlich zu seinem gesetzlichen Erbteil ein weiteres Viertel des Nachlasses – unabhängig davon, ob tatsächlich ein Zugewinn entstanden ist. Alternativ kann der überlebende Ehepartner die konkrete Berechnung des Zugewinnausgleichs verlangen, wenn dies vorteilhafter ist.
Individuelle Gestaltungsmöglichkeiten durch einen Ehevertrag
Wer die Zugewinngemeinschaft individuell anpassen oder einen anderen Güterstand wählen möchte, kann dies durch einen Ehevertrag regeln. Dieser muss notariell beurkundet werden.
Besonders für Unternehmer, Selbstständige oder Ehegatten mit ungleichen Vermögensverhältnissen kann der gesetzliche Zugewinnausgleich im Scheidungsfall zu unerwarteten finanziellen Belastungen führen. Ebenso möchten viele Ehepaare ererbtes Familienvermögen oder Immobilienbesitz vor einer späteren Auseinandersetzung schützen. Anstatt den Zugewinnausgleich komplett auszuschließen, kann eine modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbart werden. Dabei können bestimmte Vermögenswerte – etwa ein Unternehmen oder Schenkungen – vom Zugewinnausgleich ausgenommen oder individuelle Regelungen zur Berechnung getroffen werden.
Ein Ehevertrag kann entweder vor der Eheschließung oder während der Ehe geschlossen und jederzeit an veränderte Lebensverhältnisse angepasst werden.
Eine notarielle Beratung bietet die Möglichkeit, maßgeschneiderte Lösungen zu treffen, die den individuellen Bedürfnissen und wirtschaftlichen Interessen beider Ehegatten gerecht werden.
Fazit: Keine automatische Gemeinschaft, aber individuelle Gestaltung möglich
Die Zugewinngemeinschaft ist ihrem Namen nach zwar eine „Gemeinschaft“, tatsächlich handelt es sich jedoch während der Ehe um eine Form der Gütertrennung. Erst bei Auflösung der Ehe greift der Mechanismus des Zugewinnausgleichs. Wer hiervon abweichen möchte, kann durch einen Ehevertrag beim Notar individuelle Regelungen treffen.